In Österreich ist das Skifahren ein fester Bestandteil der Volksidentität, aber die Auswirkungen der globalen Erwärmung zwingen uns, die Schneewirtschaft neu zu denken. Doch bis jetzt haben sich alternative Visionen für die Alpenregion nicht durchgesetzt.

„Am Freitog auf’d Nocht montier i die Schi, auf mei’ Auto und dann begib i mi ins Stubaital oder noch Zell am See, weil durt auf die Berg ob’m ham’s immer an leiwaund’n Schnee.“ So beginnt einer der populärsten Popsongs in Österreich. Ein Lied von Wolfgang Ambros über die Freuden des Schifahrens. So heißt es im Refrain: „Schifoan is des leiwaundste wos ma sich nur vurstelln kann.“ Seit bald fünfzig Jahren ist dieses Lied mehr als nur ein fixer Bestandteil der Winterunterhaltung in Österreich. Es ist so etwas wie die heimliche Hymne der Alpenrepublik. Warum?  

Dazu ein kurzer Blick zurück in die Geschichte. Die 1970er Jahre waren für Österreich ein Jahrzehnt des Aufbruchs und Aufstiegs. Das kleine, bis dahin wenig beachtete Land am Rande des Eisernen Vorhangs wurde auf einmal auch international wahrgenommen. Die gesellschaftliche Öffnung und ökonomische Prosperität in der Regierungszeit Bruno Kreiskys beförderten ein bis dahin unbekanntes Selbstbewusstsein bei den Menschen. Der weltläufige Kanzler Bruno Kreisky gefiel auf der internationalen Bühne. Die gesellschaftlichen Neuerungen brachten frischen Wind in die bis dahin recht veschlafene und konservative Alpenrepublik. Sie betrafen vor allem den Bildungsbereich, Maßnahmen zur Gleichstellung der Frauen in Beruf und Familie, massiv gestiegene Förderungen zeitgenössischer Kunst sowie eine umfassende Reform des Justizwesen. Der ökonomische Aufschwung zeigte sich in deutlichen Lohnzuwächsen, die im Zeitraum von 1971 und 1976 zwischen 11,1 und 13,8 Prozent jährlich lagen und in den Jahren bis 1980 immerhin noch zwischen 6,1 und 8,9 Prozent pro Jahr ausmachten. 

Kitzsteinhorn, 2023. ©Florian Rainer

Zudem gab es neue Heldenfiguren, die bestens zur Identifikation geeignet waren. Allen voran Franz Klammer und Annemarie Moser-Pröll. Junge Leute, die aus kleinen Alpendörfern stammend durch Talent und Mut zu Skistars wurden. Als am 5. Februar 1976 die Abfahrt der Olympischen Winterspiele in Innsbruck in Fernsehen und Radio übertragen wurde, hatten die Kinder ab 11:00 vormittags schulfrei, damit sie das Rennen live mitverfolgen konnten. Der Olympiasieg Franz Klammers versetzte das Land in einen Freudentaumel. Nach einer kurzen Phase in den 1980er Jahren, als die Schweiz Österreich als erfolgreichste Skination ablöste, kam es ab den 1990er Jahren zum Revival der österreichischen Siegergeschichten. Der berühmteste der Skistars jener Epoche war wohl Hermann Maier, der nach einem spektakulären Sturz in der Olympia-Abfahrt von Nagano sowohl Riesentorlauf wie auch im Super-G die Goldmedaille gewann. Ein Plot wie aus einem Hollywoodfilm. Ein ehemaliger Maurer, der als Sportler unmittelbar nach dem völligen Scheitern den ganz großen Erfolg erringt. Solche Heldenepen österreichischer Skistars waren jahrzehntelang von enormer Bedeutung für die seelische Verfasstheit des gesamten Landes.  

Mit der Popularität der neuen Stars wuchs auch die Beliebtheit des Skifahrens in der Bevölkerung. Aus der anfangs recht elitären Freizeitbeschäftigung für Gutbetuchte wurde ein Massensport. Erschwingliche Schulskikurse trugen dazu bei, dass den Kindern im ganzen Land die Grundkenntnisse des Skifahrens vermittelt wurden. Darüber hinaus entwickelte sich der Skitourismus zu einem wesentlichen Wirtschaftsfaktor. Vormals abgelegene Talschaften florierten. Bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert wurden alljährlich tausende Kinder aus Tiroler und Voralberger Kleinbauernfamilien über den Sommer auf den sogenannten Hütekindermärkten an reiche süddeutsche Großbauern vermittelt, wo sie meist wie Leibeigene behandelt wurden. Die Nachkommen dieser Hütekinder indes gelangten mit dem aufstrebenden Skitourismus innerhalb kurzer Zeit als Unternehmer zu beträchtlichem Wohlstand.  

Die von der Wirtschaftskammer Österreich veröffentlichten Zahlen sprechen eine klare Sprache. Der Wintertourismus sorgte im Jahre 2022 in Österreich bei knapp 70 Millionen Nächtigungen für Umsätze von 12,6 Milliarden Euro. Das entspricht einer Wertschöpfung von 6,7 Milliarden Euro. Rund 250.000 Personen sind allein im Wintertourismus beschäftigt. Rund 70 Prozent der Einnahmen aus dem Wintertourismus entfallen auf die alpinen Regionen. Dazu kommt, dass die Skitouristen im Durchschnitt pro Kopf und Tag rund 25 Prozent mehr ausgeben als die Sommergäste. Jahrzehntelang haben sich Angebot und Nachfrage beim Skiurlaub in einer Weise entwickelt, dass Österreich über zwei nahezu gleich ertragreiche Saisonen verfügt. Am Beispiel Tirols lässt sich diese Entwicklung besonders gut verfolgen. Lag die Zahl der Nächtigungen in der Wintersaison im Jahre 1965 bei rund 5 Millionen, so stieg sie bis zum Jahr 2019 (vor der Pandemie) auf über 27 Millionen. Seit 1995 kommen auch regelmäßig mehr Touristen im Winter als im Sommer nach Tirol. Im Durchschnitt der letzten 25 Jahre liegt der Wintertourismus mit rund 57,5% der Nächtigungen vorne. 

Sportgastein, 2023. ©Florian Rainer

Doch das bisherige Erfolgsmodell ist in Gefahr. Der Klimawandel und die damit verbundenen steigenden Temperaturen werden vielen Skiregionen ihre wichtigste Grundlage entziehen, den Schnee. In manchen Regionen ist das bereits der Fall. Bei ausreichenden Wasservorräten und Minusgraden lässt sich fehlender natürlicher Schnee zwar durch Kunstschnee kompensieren. Doch sobald das Thermometer über +3° Celsius steigt, können selbst bei geringer Luftfeuchtigkeit (rund 20%) die Schneekanonen nichts mehr produzieren. Davon abgesehen kostet die künstliche Beschneiung ordentlich Geld. Allgemein wird mit 3,5 – 5 Euro pro Kubikmeter Kunstschnee kalkuliert. Damit haben kleine, niedrig gelegene Skidestinationen kaum eine Überlebenschance. Zum einen fehlt der natürliche Schnee und zum anderen lässt sich der künstliche nicht herstellen oder ist schlicht zu kostspielig. Über zwanzig Skigebiete haben daher seit der Jahrtausendwende in Österreich zugesperrt. Darunter vormals beliebte Ziele wie die Lammeralm und die Frauenalpe in der Steiermark oder die Tiroler Sattelbergalm. Mit dem Ende der Saison 2024 schlitterten die Bergbahnen Dreiländereck in Kärnten an der Grenze zu Slowenien und Italien in die Insolvenz.  

Die Erkenntnis, dass der Klimawandel zu massiven Veränderungen im System des österreichischen Skitourismus führen wird, ist nicht neu. Bereits 2013 hielt eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene Studie fest, dass sich bei einer Erwärmung um 1°C bis 2030 die natürliche Schneefallgrenze um rund 150 Meter in die Höhe verschiebt. Aus damaliger Sicht wurde bei diesem Szenario konstatiert, dass rund 190 vormalige Skiorte ab 2030 unter der natürlichen Schneefallgrenze liegen würden. Das bedeutet, dass in diesen Regionen neue Angebote geschaffen werden müssen, soll eine touristische Infrastruktur erhalten bleiben. Das weiß auch die Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler und stellt fest: „Zusätzlich zum klassischen Wintersportangebot wird man sich vor allem in niedrig gelegeneren Regionen alternative Konzepte abseits vom Skifahren für die Gäste überlegen müssen.“ Allerdings glaubt die Staatssekretärin, dass „durch modernste Beschneiungsanlagen, nachhaltige Aufstiegshilfen und innovative Konzepte die österreichischen Skigebiete zukunftsfit aufgestellt sind.“ Skifahren werde daher „auch künftig zu guten Bedingungen möglich sein“.  

Ganz ähnlich sieht das die Wirtschaftskammer. 75 Prozent der insgesamt 23.714 Hektar Pistenfläche sind mittlerweile mit Beschneiungsanlagen versehen. Damit sei laut Wirtschaftskammer „ein perfekter Skibetrieb bis zum Saisonende garantiert.“ Damit das auch so bleibt, sind die Seilbahnbetreiber ständig bestrebt, neue hochalpine Regionen zu erschließen. Doch selbst in vermeintlich schneesicheren Zonen zeigen sich immer häufiger die dramatischen Folgen des Klimawandels. So wurden die Rennen zum Auftakt der alpinen Skiweltcup-Saison Ende Oktober 2023 in der Gletscherregion des Tiroler Skiortes Sölden in einer Seehöhe von rund 3000 Metern auf einem schmalen Kunstschneeband inmitten einer Geröll-Landschaft abgehalten.  

Eine aktuelle Studie der Wissenschafter Anna Burton und Oliver Fritz vom Wirtschaftsforschungsinstitut sowie Robert Steiger von der Universität Innsbruck analysiert die neuen „Herausforderungen des alpinen Wintertourismus in Österreich“ sehr nüchtern. Burton, Fritz und Steiger stellen in ihrer Studie zum Ausweichen in hochalpine Lagen fest: „Die zunehmende Gletscher- und Permafrostschmelze wird auch solche Skigebiete vor Herausforderungen stellen.“ Davon abgesehen erfordert die Produktion des Kunstschnees enorme Mengen an Wasser und Energie. Allein mit dem Strom, der für die Beschneiung der österreichischen Skipisten alljährlich verwendet wird, könnten 60.000 Haushalte versorgt werden. Die von den Beschneiungsanlagen versprühte Wassermenge von 47,1 Millionen Kubikmetern im Jahr würde sogar für 235.000 Haushalte reichen. Nichtsdestoweniger ist die Wirtschaftskammer von der Nachhaltigkeit dieses Tourismuskonzepts überzeugt. Immerhin stammen 90 Prozent der Energie für die Schneekanonen aus erneuerbaren Quellen und die Seilbahnbranche habe in den vergangenen zehn Jahren 20 Prozent ihres Energieverbrauchs eingespart. Das Wasser aus dem Kunstschnee fließe zudem zu 100 Prozent wieder in den natürlichen Kreislauf zurück. Sagt die Kammer. 

Brixen, 2023. ©Florian Rainer

Burton, Fritz und Steiger indes sehen die klare Notwendigkeit von Änderungen im Skitourismus: „Vor allem der Klimawandel, aber auch demografische Veränderungen und höhere Kosten, die mit steigenden Preisen einhergehen, erzwingen eine Anpassung des Angebotes.“ Bemerkenswert ist der Hinweis auf demografische Veränderungen. Das betrifft nicht nur Veränderungen in der Alterspyramide. Diejenigen, die in den 1970er Jahren das Skifahren erlernt haben, erreichen mittlerweile des Pensionsalter und sind häufig nicht mehr so aktiv wie früher oder haben sich alternativen sportlichen Betätigungen zugewandt. Das früher breit gestreute Angebot der Schulskikurse ist deutlich zurückgegangen. Aufgrund des Klimawandels sind vielfach kleine Skigebiete mit nur wenigen Liften in der Nähe der größeren Ballungsräume Wien, Graz und Linz stillgelegt worden. Damit fällt für Kinder die Möglichkeit weg, außerhalb der Semester- oder Weihnachtsferien den Skisport auszuüben. Dazu kommt der gestiegene Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, die deutlich geringeres Interesse am Skilauf als an anderen Sportarten zeigen und häufig auch nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, um sich Skiurlaub leisten zu können. 

Burton, Fritz und Steiger erwarten zudem „eine Verschiebung der Nachfrage in Richtung des Sommers und der Nebensaisonen.“ Explizit erwähnen die Studienautoren, dass „Klimaschutzbemühungen, in deren Zentrum eine klimafreundliche An- und Abreise der Gäste steht, verstärkt werden müssen.“ Bis dato reisen rund 80 Prozent der Skitouristen mit dem eigenen Automobil an. Das führt zu enormer Abgas- und Lärm-Belastung der engen Alpentäler und wäre so nicht notwendig. Ein Gutteil der österreichischen Skigebiete ist problemlos mit dem Zug in Kombination mit Shuttlediensten erreichbar. Auch muss niemand mit der vollen Skiausrüstung in den Urlaub fahren. Von den 396.000 Paar Ski, die in der Saison 2022/23 an den österreichischen Handel verkauft wurden, gingen bereits 70 Prozent in den Verleih. Tendenz steigend.  

Gebirgsforscher Kay Helfricht von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Mitautor des länderübergreifenden Positionspapiers „Perspektiven des Schneesports im Zeichen globalen Klimawandels“, sieht das ähnlich: „Die CO2-Bilanz des Wintersports wird sich verbessern müssen“, konstatiert Helfricht. Das könne auch bedeuten, „dass man nicht gleich die gesamte Pistenfläche beschneit, sondern nur einen für den Betrieb notwendigen Teil, wenn der Schnee einmal ausbleibt.“ So empfehlen die Experten des Positionspapiers auch: „Die Erstellung von CO2-Bilanzen in allen relevanten Sektoren/Unternehmen als Potenzialanalyse zur Minimierung der schädlichen Klimawirkung und als Grundlage für Geschäftsentscheidungen mit Bezug auf den Klimaschutz.“ Mit standortsbezogenen Vulnerabilitätsanalysen sollen klimatologisch relevante Parameter der Empfindlichkeit und Anpassungskapazität des jeweiligen Wintersportgebietes erfasst werden. Für besonders wichtig erachten die Fachleute zudem die „Implementierung von Nachhaltigkeits- und Resilienz-Strategien zur Verbesserung der Widerstands- und Anpassungsfähigkeit und der Stärkung der Innovationsfähigkeit des Wintersports in allen relevanten Handlungsfeldern.“ 

Stillgelegte Skigebiete sind kein rein österreichisches Phänomen. Allein in Deutschland wurden seit den 1990er Jahren 18 Skigebiete aufgelassen und deren Liftanlagen abgebaut. In Südtirol waren es 10. Noch viel massiver ist der Rückgang in der Schweiz. Bis Ende 2022 haben dort 169 Skidestinationen dicht gemacht. Nur eine davon, die am San Bernardino wagte in der Saison 2023/24 einen Neuanfang. 300 Millionen Franken sollen dort in den kommenden Jahren investiert werden. Was die Investoren hoffnungsfroh macht, dass ihr Plan aufgehen könnte, ist die Höhenlage. Die Pisten am San Bernardino liegen zwischen 1600 und 2500 Metern Höhe. Da wird sich auch in absehbarer Zukunft zumindest noch Kunstschnee produzieren lassen. 

Doch wohin die alpine Reise auf nachhaltiger Basis gehen könnte, zeigt ein vielversprechendes Projekt des Österreichischen Alpenvereins. In der Initiative „Bergsteigerdörfer“ haben mittlerweile 38 Dörfer in Österreich Deutschland, der Schweiz und Italien zusammengefunden. Alle sind den Protkollen der Alpenkonvention verpflichtet. Die Bergsteigerdörfer verstehen sich als „vorbildhafte regionale Entwicklungskerne im nachhaltigen Alpintourismus mit einer entsprechenden Tradition“. Besonders wichtig sind dabei „eine exzellente Landschafts- und Umweltqualität und die Bewahrung der örtlichen Kultur- und Naturwerte“. Viel Wert wird zudem auf „Eigenverantwortung, Fähigkeit und Souveränität sowie umweltkundiges und verantwortungsvolles Verhalten der Gäste am Berg“ gelegt. Kleine Familienbetriebe, traditionelle und regionale Produktion und Verbundenheit bestimmen das Bild. Die technische Erschließung des alpinen Raums darf nur unter größtmöglicher Zurückhaltung erfolgen. „Angestrebt wird eine enge Verbindung zwischen Produzenten und Konsumenten auf lokaler und regionaler Ebene sowie eine dauerhafte Erhaltung und Pflege der typischen Kulturlandschaftselemente.“ Sagen die Verantwortlichen. Das macht Hoffnung.